Ortsverband Guntersblum, Ludwigshöhe und Berggemeinden
Abschied der Ortsbürgermeisterin
GUNTERSBLUM – Bei ihrer Verabschiedung im Rat am 26.08.2024 hat Claudia Bläsius-Wirth eine Rede vorgetragen, die wir hier veröffentlichen:
Liebe Guntersblumer – liebe Beigeordnete, Ratsmitglieder – ausgeschieden und/oder künftige/designierte Mandatsträger, sehr geehrte Damen und Herren,
unglaublich lang erscheint mir die ereignisreiche Zeit seit 2009, in der ich gleichzeitig OG- und VG-Ratsmitglieder und seit 2016 O-Bürgermeisterin war. Wir hatten damals in 2009 schon von und über Windräder debattiert – und jetzt : mit Inkrafttreten des FNP – inkl. Teilplan WIND wieder –
Ein paar besondere, persönliche Erfahrungen möchte ich hervorheben:
In all den Jahren habe ich so sehr viele Menschen unterschiedlichster Herkunft und Einstellungen kennengelernt – von manchen enttäuscht worden, von anderen herausgefordert – die meisten jedoch schätzen gelernt.
Personalführung – mein Steckenpferd: am Beispiel der KITAs und dem Hort drücke ich Bewunderung & Respekt für unsere ErzieherInnen aus. Sie leisten Unglaubliches, sind hochgebildet und mit ihrer Empathie und Engagement einer der Schlüssel unseres Bildungswesens. Ganz großen Dank aus ganz Guntersblum!
Die Flüchtlingskrise brachte uns viele Menschen teilweise traumatisiert und wir lernten besser und besser Hand in Hand zu arbeiten, nach holprigem Start können wir viele Geflüchtete heute als gelungen integriert nennen. Erinnern Sie sich mit mir daran, dass wir hier im DGH eine Podiumsdiskussion mit Bgm K. Penzer hatten – und ebenso in diesen räumen wir eine temporäre TAFEL orts- und städteübergreifend organisiert hatten, damit Hilfswillige Bedürftigen helfen konnten.
DANN: Mitten im Leben wurden wir gestoppt – Corona hat uns verändert – unglaubliches abverlangt – öffentliches Leben hielt inne – viele die Krank wurden, oder sogar starben – das war eine Zäsur, der wir operativ begegnen mussten.
Diese Zeit war aber auch die Beschleunigung der Digitalisierung, die Fahrt aufnahm. Videokonferenzen, sogar Mitarbeitergespräche, waren ONLINE – Sitzungen mit Beamer und Leinwand zu leiten, hatte ich schon von Anfang an eingeführt, so war die Fortsetzung einfach – Kommunikation via Mail die Regel.
2022 – wieder vor Ort – 1125 Jahr-Feier – zwei Tage spiegelten wir, wie Guntersblum Geschichte schrieb. Für mich ein unglaublich festlicher und honorabler Meilenstein unseres Ortes.
Heute umrahmen Beachflags die konstituierende Sitzung mit unserem Wappen und eine, die das Jubiläum: 60 Jahre Kellerweg-Fest feiert. Letztere übergebe ich als Dankeschön gerne an den Verkehrsverein. DENN: die Menschen hier in Guntersblum stecken nie den Kopf in den Sand und sind es aus der Historie heraus gewohnt mit ständigen Veränderungen umzugehen und wissen zu feiern.
Ortsbürgermeisterin war nie NUR ein JOB für mich!
Mit Vollgas habe ich die Gemeinde Guntersblum geführt wie ein Familienunternehmen. 24/7 war für mich immer ein herausforderndes Engagement.
Nichts war mir Zuviel – Ein Nein habe ich nie kampflos akzeptiert.
Seit 2009 arbeite ich im Verbandsgemeinderat ALT-VG Guntersblum, dann VG Rhein-Selz – und mit gleichem Datum für unsere Heimatgemeinde. Erst als 1. Beigeordnete und mit ca. 70+60%-iger demokratischer Mehrheit seit 2016 als Ihre/Eure Ortsbürgermeisterin.
Guntersblum zählt über 4000 Einwohner, hat einen 10 Mio. Euro schweren Haushalt und eine Personalverantwortung für fast 70 MitarbeiterInnen.
Mit ca. 4 Sitzungen pro Monat (370 Sitzungen im Guntersblumer Parlament) hier ein kleines Alphabet meiner Amtszeit:
A Ampelanlage B9 – der kleine Bruder unserer Wunschlösung Kreisel
B BOULE am Mittwoch mit Kugel und Bahn
C Chance in der Einführung Betriebl. Gesundheitsmanagment – Gesundheitstag
D Direktversicherung für Mitarbeiter Gehaltsumwandlung
E E-Auto – seit 2016 KITA-Essenstransport mit ehrenamtl. Fahrern
F Feuerwehr – Gelände verhandelt und für VG zwecks Neubau angekauft
G Glasfaserausbau – Abschluss mit der Telekom, Gebiet Sachsenring steht aus
H Hilfe – Telefon und eigene Web-Site während Corona
I Integration mit Hilfe einer Sozialraum-Mitarbeiterin
J Job-Bike-Leasing und JA zur Digitalisierung, I-Pads in den KITAs/Hort
K Kommune gemeinsam: Familientage am Rhein, Tag der Kinderrechte
L Lambrecht, Schultheis- Anwesen Verkauf mit Gründung einer Stiftung
M Marktfrühstück jeden 3. Mittwoch im Monat
O OST – unser Gewerbegebiet mit nachhaltigen Strukturperspektiven
P Polder – Ringen gegen den Retentionsraum Guntersblum/Eich
Q Qualität durch Einsatz von ausschl. Fachpersonal in den KITAs/Hort
R Ratifizierung Partnerschaftsvertrag BURGEIS / Guntersblum
S Städtebauförderung zugunsten von Privatmaßnahmen, Plätzen und Straßen
T Taubenhotel konsolidiert und Tierschutz-Stammtisch gegründet
U Urnenbestattung am Baum, Baumrasenurnengräber, Erweiterung Friedhof:
V Verkehrsgefahren – Signal durch „StreetBuddies“
W Weiterbildung Personal: REGGIO-Pädagogik-Tag, Gewaltfreie Kommunikation
X X-change – politische Gremienarbeit in mehr als 370 Sitzungen = ca. 4/Monat
Y Year 897: 1125 Jahr-Feier
Z Zeltgespräche, Bürgerbeteiligung in Verkehrssituationen
In meiner Amtszeit wurde mir sehr schnell klar, dass eine ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin nur einen sehr geringen Handlungs-und Gestaltungsspielraum hat – Warum?
Mangelnde finanzielle Ausstattung der Gemeinden durch das Land – bei gleichzeitigem Druck von Pflichtaufgaben lassen ausgeglichene Haushalte scheitern. Steuererhöhungen für uns alle sind die Folge.
Die finanzielle Last in Gemeinden steigt mit deren Größe & Leistungen; 25% des Guntersblumer Haushaltes stehen für 3 KITA’s und Hort. Das Konnexitätsprinzip ist gerade im KITA-Bereich nicht gewährleistet: Die Trägerkommunen müssen auf eigene Kosten Einrichten, Bauen, Erhalten und Sanieren. Zuschussverfahren vergehen sich in administrativen Regularien, die kaum zu beherrschen sind. Um Förderanträge zu stellen sind immense Vorleistungen zu erbringen. Fehlende Weisungsbefugnis in die VG-Verwaltung, gepaart mit dem Knebel der Kommunal – und Dienstaufsichtsbehörden, führen zu Verzögerungen von wohlgemeinten Projekten, beziehungsweise lassen diese sogar scheitern.
Das Modell des ehrenamtlichen Bürgermeisters macht in größeren Kommunen die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt nahezu unmöglich. Zusätzlich hat die VG-Gebietsreform von 2014 in den VG-Verwaltungen zu Arbeitsverdichtung geführt. Verbesserung? Leider nicht in Sicht.
Auf der politischen Ebene werde ich mich weiterhin für eine absolut notwendige, umfassende Kommunalreform einsetzen, die dieses Szenario auflöst.
Liebe Bürgerinnen und Bürger – es war mir eine wirklich große Ehre Ihre Bürgermeisterin gewesen zu sein. Vielmals, sehr ernsthaft und aufrichtig bedanke ich mich bei Ihnen allen, für die ich wirken durfte.
Ein großes Dankeschön mit Respekt und Anerkennung an meine MitarbeiterInnen in KITAs, Hort, Bauhof, Sekretariat und an alle ehrenamtlich für die Gemeinde Tätigen. Ebenso bin ich dankbar für Hilfe und Zusammenarbeit mit den VerwaltungsmitarbeiterInnen. Ohne die gute, vertrauensvolle Unterstützung in vielen Entscheidungen mit den Beigeordneten meiner beiden Amtsperioden wäre vieles nicht möglich gewesen. An die politischen Gremien sage ich DANKE für die Zusammenarbeit, die nicht immer einfach, für mich aber mit stetig, konstanter Überzeugungsarbeit verbunden war. Auch dies war mir nicht Zuviel und hat mir Freude bereitet.
Mit Herz und Verstand bleibe ich weiterhin engagiert für unser Guntersblum –
und gehe einen neuen Weg.
Danke, viele Grüße – und – mit Zuversicht und Elan, achten Sie auf sich und bleiben Sie gesund!
Herzlichst Ihre
Claudia Bläsius-Wirth – Ortsbürgermeisterin Guntersblum 2016-2024